Kalkulation von Baumaschinen-Zeitwerten durch die Listenpreis-Regel
Ein gravierender Fehler bei der Zeitwertermittlung für Baumaschinen: Für die Kalkulation des Zeitwertes von Baumaschinen durch die Versicherung, die Bank und deren Gutachter wird diese Regel angewendet: Der Listenpreis im Jahr der Anschaffung ohne Rabatte oder Abzüge bestimmt den Neuwert der Maschine. Zu dem Listenpreis können Fracht- oder Montagekosten addiert werden. Die Versicherungssumme wird auf Basis des Neuwertes festgelegt.
Warum ist der Listenpreis als Berechnungsgrundlage falsch?
Jeder, der einmal als Baumaschinenverkäufer gearbeitet hat weis, dass der Listenpreis des Baumaschinenhändlers ein Täuschungswerk ist. Das ist insofern logisch, als das kein Baumaschinenhändler durch eine „geleakte“ Preisliste transparent seine Preise offenlegen möchte. In der Praxis sieht das zum Beispiel so aus: Die Neumaschinenverkäufer erhalten eine Preisliste und einen Verrechnungsfaktor. Aus diesem ergibt sich der tatsächliche Verrechnungspreis. Dieser Berechnungsfaktor kann bei Preisänderungen einfach angepasst werden, ohne das die Preisliste sich ändern muss. Bei der Festlegung der Listenpreise ist der Phantasie des Händlers oder Herstellers also keine Grenze gesetzt.
Das bedeutet, die Annahme: Listenpreis = Neuwert = Neumaschinenverkaufspreis ist falsch!
Fallbeispiel Zeitwertberechnung nach Listenpreis vs. Neumaschinen-Verkaufspreis
Nehmen wir als Beispiel den Preisverlauf eines Radladers Caterpillar 972K. Die Maschine, mit Felsbereifung und Heavy-Duty-Schaufel für den Steinbruch hatte im Jahr 2016 bei Zeppelin Baumaschinen einen Listenpreis von etwa 540.000 Euro.
Der tatsächliche Verkaufspreis der Neumaschine lag dagegen bei etwa 260.000 Euro. Der dramatische Unterschied zwischen Listenpreis und tatsächlichem Zeitwert, besonders in den ersten Jahren der Nutzung zeigt sich an diesem Beispiel sehr deutlich.
Ohne hier auf die Berechnungsmethode der artihmetisch-degressiven Abschreibung, oder der bei uns angewandten Methode der Wertermittlung näher einzugehen, zeigen die abgebildeten Kalkulationen die großen Unterschiede im Wertverlauf. Im Ergebnis zahlt der Versicherungsnehmer zu hohe Prämien und im Schadenfall wird er über die Schadenregulierung mit Zeitwertersatz oder Wiederbeschaffungswert mehr als enttäuscht sein.
Welche Umwege gehen Gutachter, um damit umzugehen?
Um realistische Zeitwerte zu kalkulieren, hat die Gilder der Sachverständigen sich ein paar Tools entwickelt. Das geht bis hin zu Formeln wie: Der Zeitwert wird bestimmt aus dem Anschaffungswert, der Preissteigerung, dem Zeitwertfaktor sowie dem Gebrauchtwertfaktor. Jeder Gutachter hat zudem sein Tabelltool entwickelt, um mit dem oben beschriebenen Umstand umzugehen. Das Ganze wird dann teilweise noch unterlegt mit Listenpreisen, welche bei Lectura abgefragt werden. Dabei hinterfragt fast niemand, wie korrekt diese Preise sind und auf Basis welcher Angaben diese entstanden sind.
Korrekte Ermittlung von Zeitwerten bei Baumaschinen
Ich arbeite seit 2006 als Gutachter für Baumaschinen. Davor habe ich als Verkaufsleiter Gebrauchtmaschinen bei der Zeppelin Baumaschinen GmbH viele Jahre lang Ankaufspreise für Baumaschinen festgelegt. Ich vertraue bei der Ermittlung von Zeitwerten gebrauchter Baumaschinen in erster Linie meiner Erfahrung und meiner eigenen Datenbank mit historischen Baumaschinenpreisen.
Eine Kalkulation oder Zeitwertermittlung für Baufahrzeuge erfolgt bei mir ausgehend vom tatsächlichen Verkaufspreis (Ausstattungsbereinigt), arithmetischer Wertminderung nach Erfahrungswerten, Marktlage für Gebrauchtmaschinen, Betriebsstunden und dem Istzustand. Ergänzend prüfe ich meine ermittelten Werte durch einen Ableich mit Händlern, Einkäufern und gelegentlich auch durch eine Datenbankabfrage bei Lectura 😉